«Jede ungewöhnliche, untypische Situation ist ein Lernprozess»

Auf Bildern, in denen Vladimir Simonovic ein Spiel leitet, ist er die Ruhe selbst. Konzentriert und fokussiert. Genau gleich schreibt er – freundlich, aber auf den Punkt gebracht.

Vladimir ist 45-jährig. Trotz seines jungen Alters hat er bereits eine aussergewöhnlich lange und steile Schiedsrichter-Karriere hinter sich. Aus den Hallen seines Geburtsorts – Kragujevac in Serbien – hat es ihn auf die Bühnen der internationalen Weltturniere des Volleyballs verschlagen.

Doch warum das Ganze? Ein Zufall, ausgelöst durch seinen damaligen Trainer: «Fast alle meine Freunde aus der Kindheit beschäftigten sich mit Volleyball. Ich spielte äusserst gerne, aber schon sehr früh habe ich, auf Wunsch meines Trainers, den Grundkurs für Schiedsrichter absolviert.» Am ersten Spiel, welches er hätte pfeifen sollen – ein Derby der beiden Nachbarstädte – hatte zuerst gar niemand begriffen, dass der junge Vladimir, den alle bloss als Spieler kannten, nun urplötzlich Schiedsrichter geworden war. Ein Weg, den er bis heute nicht mehr verlassen würde…

Der gelernte Beruf des Serben ist Elektrotechniker – aber noch vor seiner ersten festen Anstellung wurde in ihm das Feuer des Schiedsrichter-Seins entfacht: «Wenn ich mich zurückerinnere, hat so ziemlich alles Spass gemacht oder zumindest eine Dosis Nervosität ausgelöst. Ich bin gereist, lernte Leute kennen, sammelte neue Erfahrungen. Ehrlich gesagt, hat mich das alles glücklich gemacht und den Wunsch geweckt, mich dauerhaft als Schiedsrichter zu beschäftigen.» Bald war den Beteiligten rundum klar, dass er zu Höherem berufen war. Die serbische Schiedsrichterorganisation – Heimatort zahlreicher hervorragender internationaler Schiedsrichter – hat sich seiner angenommen, hart mit ihm gearbeitet und zur Entwicklung gepusht. Nach diversen Prüfungen für höhere Schiedsrichtertitel folgte 2006 im Königreich Bahrain das Highlight, welches für Vladimir «einer der glücklichsten Momente» war: Die Zulassung als internationaler Schiedsrichter. «Der Wunsch, internationale Spiele zu pfeifen, die ich vorher nur im Fernsehen gesehen hatte, wurde zur Realität.»

Verheiratet ist Vladimir mit Svetlana Ilic, die momentan Headcoach des NLB-Teams bei Volero Zürich ist. Sein Sohn Mladen ist 18-jährig. Die beiden bezeichnet er als seine «grösste Inspiration und Unterstützung». Aber wie bringt man so eine Karriere und Privates unter einen Hut? «Ich habe immer versucht, Privatleben und Beruf zu trennen. Das ist mir manchmal gelungen, manchmal nicht. Die Familie ist klar das Wichtigste – aber in meiner Freizeit schaue ich trotzdem viel Volleyball! Es ist wirklich eine Freude für mich, Teil der weltweiten Volleyballfamilie zu sein.» Die Begeisterung für den Sport fliesst aus allen Sätzen, die Vladimir zu Papier bringt: «Ich lebe Volleyball. Es gibt immer ein interessantes Spiel, einen entscheidenden Moment, den man mit Freunden diskutieren und analysieren kann. Jede ungewöhnliche, untypische Situation ist ein Lernprozess. Volleyball ist genau wegen diesen unvorhersehbaren Momenten wirklich spannend.» 

Für ihn ist aber klar, dass es eine Menge Arbeit braucht, um als Schiedsrichter*in zu wachsen und ganz nach oben zu kommen. «Es reicht nicht aus, einmal in der Woche ein Spiel zu pfeifen, denn Volleyball ist ein sehr komplexer Sport.» Man müsse in kurzer Zeit schwierige Entscheidungen treffen können. Das braucht Konzentration, vom Anfang bis zum Ende. Ein Nachlassen der Aufmerksamkeit führt zu Fehlern in entscheidenden Momenten. In aller Kürze: «Der Schlüssel zum Erfolg? Darüber lesen, viel beobachten, mit Kollegen und Kolleginnen diskutieren, Spiele analysieren…und ganz viel pfeifen!» Das Schlusswort für den Nachwuchs? «Seid mutig und gesteht euch auch Fehler ein. Nur so kommt jemand vorwärts!»